Interview mit André Bamat, Mitgründer der LOBACO AG
Am 4. Oktober 1979 wurde die LOBACO AG gegründet, aus der 1992 die Lobos Informatik AG entstand. Erfahren Sie im Interview mit dem Gründungsmitglied André Bamat mehr über die damalige Zeit.
Lieber André, schön Dich nach längerer Zeit wiederzusehen!
Wir feiern dieses Jahr das 50-jährige Firmenjubiläum. 1974 hat sich Werner Locher mit einer Einzelunternehmung auf den Weg gemacht, worauf fünf Jahre später die LOBACO AG gegründet wurde. Du warst damals einer der Gründer – gerne würden wir mehr über die damalige Zeit von Dir erfahren.
Wie muss man sich die IT-Branche vor 50 Jahren vorstellen? Was sind die Unterschiede zu heute?
Es war die Zeit der riesigen Rechenzentren und teuren Grosscomputer mit lächerlichen Leistungen, verglichen mit heute. Öffentliche Netzwerke gab es noch nicht. Oft kämpfte der Programmierer mit 12 bis 16 Kilo-Bytes für seine Applikation. Im Übrigen hatten wir es mit einer Software-Wüste zu tun, die es zu beleben galt. Es gab in den frühen 1970er-Jahren nichts. Wollte man z. B. in einer soeben programmierten Debitorenapplikation noch eine Kundenliste nach PLZ, musste diese programmiert werden. Rechenzeit war weit teurer als Programmierzeit.
Die ersten Minicomputer mit Speichern von 4 KB bis 64 KB kamen in den Jahren 1970-75 – anfänglich ohne, später mit Bildschirmen – auf den Markt: Namen wie u. a. DEC, Wang, Mai, Siemens, Philips, Prime und später auch IBM erinnern daran. Es war ein Paradigma-Wechsel, die Minicomputer wurden direkt in den Unternehmungen installiert. Somit erübrigte sich der mühsame Anschluss via träge Telefonleitungen an ein Grossrechenzentrum. Für die Unternehmen war dies jeweils eine sehr herausfordernde Umstellung.
War «Informatik» damals ein Begriff ausserhalb der Fachwelt? Gab es eine Ausbildung oder ein Studium zum Informatiker/Programmierer?
Man sprach von EDV und Computern, was genau damit gemeint war, blieb oft den eigenen Vorstellungen vorbehalten. Buchhaltungen wurden mit Magnetkonti-Computern abgewickelt (Magnetkonto: Papierkonto mit an den Rändern aufgeklebten, speicherbaren Magnetstreifen). Nicht-interaktive Cobol-Programmierkurse gab es anfänglich an der Uni, später organisierten die Hersteller Programmierkurse für Assembler und Cobol, z. B. Univac in Zürich, Siemens in München, Philips in Apeldoorn.
Steve Jobs hat sein Unternehmen bekanntlich in seiner Garage ins Leben gerufen. War das bei Lobaco ähnlich? Wie kam es damals zur Firmengründung und Deiner Beteiligung?
Die Grösse der amerikanischen Limousinen ist eine gute Voraussetzung für genügend Platz in der Garage, um eine geniale Idee umzusetzen. Das war bei uns anders. Wir starteten zwar ebenfalls mit einer Geschäftsidee, aber auch mit Kunden. Der Firma Lobaco ist die Firma Pro Software vorausgegangen. Die Abteilung Philips EDV produzierte anno dazumal Minicomputer und hatte für viel Computer-Know-how gesorgt, bevor sie – die Informatik Euphorie ging zu Ende – ihre Aktivitäten einstellte. Zu fünft pflegten wir anfänglich in der Pro Software die Philips-Kunden. Ab 1974 war Werni Locher noch einziges Firma-Mitglied, er akquirierte auch neue Kunden auf anderen Minicomputern. Zur Pflege dieser Kunden gründeten wir die Lobaco Informatik AG.
Erzähl uns über die Anfangszeiten der Lobaco ? Wer war sonst noch involviert? Was war das Ziel von Lobaco?
Die Unternehmen wollten ihre archaischen Verwaltungssysteme mit hauseigenen Bildschirmlösungen modernisieren, Software dazu gab es wenig bis keine. Sehr schnell wurden wir uns bewusst, dass es zu den hauseigenen Abwicklungen auch immer kommerzielle Basisapplikationen, sogenannte Standard-Software für Rechnungs- und Personalwesen, brauchte. Also gestalteten wir, neben den dedizierten Kundenlösungen, die «Standardsoftware» offener und parametrierbar. Sehr schnell konnten wir den Kundenanfragen und dem Arbeitsvolumen zu zweit nicht mehr gerecht werden und stellten (noch auszubildendes) Personal ein.
Lobos war damals der Produktename, aus dem dann in den 1990er-Jahren der heutige Firmenname entstand. Wie kam es zu diesem Namen?
Für das Marketing brauchten unsere Produkte einen Namen. Ein Kollege aus Bern schlug uns LOBOS vor, zu deutsch: LOBaco Operatives Informations System (auf die Erklärung des I könne man verzichten, meinte er) und zu englisch: LObaco Business Operating System. Er hatte recht, LOBOS genügte und wurde eigentlich nie hinterfragt.
Was waren zu Beginn die grössten Herausforderungen?
Ganz einfach das Arbeitsvolumen. Das Stichdatum einer Umstellung von Magnetkontocomputern oder Rechenzentrenanschlüssen auf Bildschirmlösungen war nicht verschiebbar und hätte die Existenz eines Unternehmens gefährdet. Und so kam es, dass man halt hie und da Ostern oder Weihnachten im Büro verbrachte.
Wie kamen die ersten Kundenkontakte zustande? Wie hat der Aufbau von Kundenbeziehungen damals funktioniert?
Wie bereits erwähnt kamen die ersten Kundenkontakte zustande, als wir noch Angestellte bei der Philips EDV waren. Das Management der Philips Schweiz war dann froh, dass wir die Kundenpflege übernahmen. Von diesem Moment an entstand ein sehr geschätztes Vertrauensverhältnis zwischen den Kunden und uns. Um Kundenakquisition mussten wir uns nicht gross kümmern, denn wegen der Seltenheit von Software-Lösungen kamen die potenziellen Kunden eher zu uns. Wir wurden auch von den Hardware-Herstellern empfohlen (HW ohne SW liess sich schlecht verkaufen). Es ging dann darum, die Kundenbedürfnisse sauber abzuklären und eine verbindliche Offerte zu erstellen. Wir nahmen aber gerne an verschiedenen Ausstellungen teil, z. B. an der jährlichen BüFa.
Wann konntet ihr den ersten Erfolg feiern?
Ich weiss es, ehrlich gesagt, nicht mehr genau. Jede Auslieferung und jede Inbetriebnahme war eine Herausforderung, bei welcher sehr viel für die Firma auf dem Spiel stand. Jedoch, das Feiern der erfolgreichen Inbetriebnahme eines grösseren Systems haben wir uns jeweils nicht entgehen lassen.
Wer war der erste Kunde von Lobaco?
Für mich war es der Hersteller für Silos und Landwirtschaftseinrichtungen Lanker AG in St. Gallen und Speicher/AR. Anspruchsvoll, da an zwei Orten umgestellt werden musste. Für Werni denke ich, war es die Tela Papierfabrik in Balsthal bzw. die nachfolgende Cellulosefabrik Attisholz in Riedholz, auch sehr anspruchsvolle Abwicklungen im Industriewesen an verschiedenen Standorten.
Welcher Kunde oder welches Projekt ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?
Patek Philippe in Genf war eine ganz besondere Sache. Es ging um die Verwaltung der produzierten Uhren, bei welcher nach der Lagerhaltung und Auslieferung die gesamte Historie für jedes einzelne Exemplar erfasst wird. Ein faszinierendes Projekt mit grosszügigem Budget. Weil es im Zug zu lange dauerte, war wöchentliches Fliegen nach Genf angesagt.
Welches war Dein schönster Moment bei Lobaco? Und der schwierigste?
Der schönste Moment war der erste fertiggestellte Jahresabschluss – ich war auch der Buchhalter – weil er unser Geschäftsmodell bestätigte. Und es uns gut ging. Und die Standardsoftware funktionierte.
Am schwierigsten war für mich die Phase der Übernahme von Lobaco durch die Experta Gruppe, ahnte ich doch, dass diese zwei Geschäftsmodelle nicht wirklich zusammenpassten.
Du warst während fast 20 Jahren bei Lobos tätig und ich erinnere mich noch gut, wie Du 1991 meinen Arbeitsvertrag unterzeichnet hast. Wieso hast Du Lobos dann verlassen?
Ganz am Anfang bei der Firmengründung hatte Werni seinen Wunsch angebracht, später einmal für 2-3 Jahre Segeln zu gehen. Das war dann, Irrtum vorbehalten, im Jahr 1986 der Fall. Für dieses Vorhaben brauchte Werni auch etwas Geld und so suchten wir einen Käufer für die Lobaco. Da die Experta Gruppe sich um einen Bereich Informatik erweitern wollte, übernahm sie die Lobaco. Ich hatte bei Experta einen Direktionsposten, aber Revision und Informatik passten halt nicht gut zusammen. Anschliessend habe ich bei der SIX Group (früher Telekurs) als Mitglied der Geschäftsleitung den Bereich Swiss Interbank Clearing geleitet. Als Werni vom Segeln zurückkam, war die Experta Informatik AG (d. h. die ehemalige Lobaco) nur noch ein Schatten ihrer selbst und stand zum Verkauf. Ich war zu stark in der SIX Group involviert und so kaufte Werni, mit Beteiligung des früheren Mitarbeiters Paul Huber, das Geschäft zu einem guten Preis zurück. Das war der Anfang der heutigen Lobos Informatik AG. Und, wie wir wissen, wurde Lobos Informatik wieder auf Vordermann gebracht, so dass sie sich zur heutigen erfolgreichen und erfreulichen Informatik-Firma entwickeln konnte. Darauf bin auch ich ein wenig stolz, obwohl ich nichts dafürkann.
Was wünschst Du Lobos für die Zukunft?
Weiterhin an vorderster Front der Entwicklung zu agieren. Höchste Qualität der Dienstleistungen sowie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit sollen zur DNA der Firma gehören. Die heutige Firma hat die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft geschaffen.
Hast Du einen Rat für Firmengründer*innen? Auf was muss man achten, um erfolgreich zu sein? Was würdest Du im Nachhinein anders machen?
Die Zeiten haben sich stark verändert, aber Grundsätze dürften bleiben. So braucht es für eine Firma nicht nur gute Ideen – Bill Gates in Ehren –, sondern auch gute Produkte bzw. Dienstleistungen und einen Markt. Ideal ist natürlich, wenn man schon Kunden hat oder zumindest deren Zusage. Für ein solides, neues Geschäft bin ich weniger ein Freund von Startups.
Tja, anders machen? Aus heutiger Sicht würde ich vielleicht versuchen, die Lobaco Informatik auch ohne Werni weiterzuführen. Eben, vielleicht.
André, vielen Dank für Deine Zeit und das interessante Gespräch! Wir wünschen Dir alles Gute und die Tür steht für dich immer offen!
André Bamat und Andreas Bischofberger im Juli 2024.
Lesen Sie hier mehr über die Historie der Lobos Informatik AG.